Ich gebe zu: Ich habe es getan. Trotz eines brauchbaren Equipments für die Astrophotographie mit einem netten äquatorialen Mount, zwei Teleskopen, einer astromodifizierten DSLR sowie einer dedizierten Astro-Mono-Cam mit Filterrad und allem Drum und Dran habe ich mir eines dieser kleinen, vollautomatischen Smart-Teleskope zugelegt. Warum? Es ist wesentlich unkomplizierter, muss nicht groß eingenordet werden und ist spontan innerhalb weniger Minuten einsatzbereit. In diesem Artikel möchte ich meinen ersten Eindruck zum ZWO Seestar S50 mit euch teilen.

Unboxig: Die Matroschka-Puppe für Astrofans

Ich habe mein Seestar S50 in einem bekannteren, deutschsprachigen Astroshop bestellt und bekam schon drei Tage später ein Paket geliefert. Nach der obligatorischen Abholung beim Nachbarn, weil ich bei Lieferung durch DHL auf der Arbeit war, packte ich den ersten Karton aus. Drin steckte ein zweiter Karton, der einen weiteren Karton beinhaltete. OK, Prinzip Matroschka. Aber Hauptsache, das Teleskop erreicht den Kunden ohne Transportschaden.

Im letzten Karton fand ich dann einen handlichen, schwarzen Koffer vor, der sicherlich handgepäcktauglich ist. Durch das Material (ich denke, es ist hartes Styropor) trägt der Koffer nicht wesentlich zum Gesamtgewicht bei, und beim Anheben war ich überrascht, wie leicht das Teleskop samt Koffer ist.

Seestar S50 und Stativ im Styropor-Koffer

Zum „Unboxing“ schreibe ich nicht mehr viel – gibt es doch unzählige YouTube-Videos dazu. Nur so viel sei gesagt: Die geringe Größe und das geringe Gewicht überraschten mich doch. Dabei machten aber Teleskop und Stativ einen sehr stabilen und wertigen Eindruck auf mich. Neben Teleskop und Stativ ist ein brauchbar verpackter Sonnenfilter, ein USB-Ladekabel und eine sehr kurz gehaltene Anleitung enthalten.

Was jedoch fehlt, ist ein Ladegerät für die Steckdose. Laut Beschreibung benötigt es für normales Laden ein Ladegerät mit 5V/2A und für die Nutzung der Schnellladeoption ein Ladegerät mit 12V/3A. Entweder fliegt eh eins von irgendwelchen Geräten zuhause rum, oder man sollte sich eins im Voraus besorgen. Beim Seestar kam es mit ca. 70% Akku und hätte aber auch erst einmal ohne Aufladen getestet werden können.

Was ebenfalls fehlt ist eine Abdeckung für die Frontlinse. Wer diese von Staub und anderen Einflüssen schützen möchte, sollte sich eine Entsprechende Abdeckung besorgen. Die gibt es aus dem 3D Druck in fast allen Online-Astro-Shops oder direkt bei den engagierten Herstellern, wie z.B. bei 3D-Druck Krug, den ich für solche Teile absolut empfehlen kann.

Sonnenfilter sowie 3D Druck Zubehör (Bahtinov-Maske, Spike-Maske und Tauschutz von 3D Druck Krug)

App installieren, aufladen und verbinden

Das Seestar wird über eine App gesteuert, die zuerst für Android im Google Play Store oder für iOS im Apple Store heruntergeladen und installiert werden muss. Danach drückt man den Startknopf am Seestar-Teleskop ca. 5 Sekunden (bis ein Piepton kommt), startet die App und wartet, bis die Sprachausgabe am Seestar „ready to connect“ sagt. Anschließend drückt man (sofern man der App den Bluetooth-Zugang erlaubt hat) den „Connect“-Button in der App und startet einen Verbindungsversuch. Diesen muss man noch durch Drücken des Reset-Knopfs am Boden des Teleskops autorisieren, und das war es schon mit der Einrichtung.

SSofern ihr zuhause einen Router mit WLAN nutzt, empfehle ich euch, das Seestar S50 im „Stationary mode“ mit dem WLAN zu verbinden. Denn so verbindet sich euer Smartphone beim nächsten Starten des Teleskops ganz automatisch mit dem Seestar, sofern beide Geräte im WLAN eingeloggt sind.

Erste Testaufnahmen

Meine erste Testaufnahme gelang mir dank des aktuell total bewölkten Himmels erst zwei Tage später, als der Mond einmal durch ein paar Lücken durchblitzte. Dank des Konzepts ist das Teleskop sehr schnell einsatzbereit. Kalkuliert für den ersten Einsatz inkl. ggf. Kalibrierung des Kompasses (Compass calibration) und das Nivellieren des Teleskops (Adjust Level) mal 20 Minuten zum Kennenlernen. Anschließend gelingt das wesentlich schneller, und ich schätzte die Zeit vom Auspacken bis zur Einsatzbereitschaft auf 5-7 Minuten.

Nach Kalibrierung aller Sensoren und Nivellieren des Teleskops wählte ich „Lunar“ als Ziel aus. Innerhalb von ca. einer Minute hatte das Seestar dann den Mond angefahren und trackte ihn verlässlich. Dann habe ich herumprobiert und sowohl einige Direktaufnahmen als JPEG aus der App heraus gemacht als auch einige Videos im RAW aufgenommen, um dann mit AutoStakkert! ein JPEG zu stacken. Im folgenden Beispiel seht ihr links einmal eine schnelle Direktaufnahme (eigentlich Full-HD-Auflösung) aus der App, rechts ein dreifach gedrizzeltes JPEG, gestackt aus einem 2-Minuten-RAW-Video in AutoStakkert!

“First Light” meines Seestars

Weitere Aufnahmen

In der Zwischenzeit gelang mir dann auch einmal eine Aufnahme der Sonne. Man merkt, dass es Richtung Frühling geht. Auch hier machte ich schnelle Direktbilder aus der App sowie später gestackte Bilder aus RAW-Videos. Das folgende Bild zeigt die Sonne mit der aktiven Region AR3590. Links wieder ein JPEG aus der App, rechts ein gestacktes Bild aus einem RAW-Video.

Sonne mit Sonnenfleck AR3590, Aufgenommen mit Seestar und mitgeliefertem Sonnenfilter

Deep-Sky Tests

Ziemlich gebrannt habe ich selbstredend auf einen Test an einem Deep-Sky-Objekt. Hier bekam ich schließlich am 25.02. sowie am 27.02.24 die Gelegenheit. Am Abend des 25.2. schwenkte ich auf ein Standardobjekt des Winterhimmels, den großen Orionnebel (M42). Da ständig lockere Wolkenfelder durchzogen, sammelte ich lediglich 10 Minuten Licht, aufgeteilt in 60 x 10s Einzelbilder. Da das Seestar-Teleskop selber Dark-Frames und Bias-Frames in Abzug bringt und Flat-Frames nicht zwingend notwendig sind, liegen nach einer solchen Fotosession die kalibrierten Lights als FITS-Dateien vor. Ebenfalls findet sich schon ein fertig gestacktes FITS im Speicher des Seestar. Links ist ein JPEG des internen Stacks zu sehen, rechts ein bearbeitetes Bild des vom Seestar gestackten FITS.

M42 – > links: Seestar Version – rechts: bearbeitet in PixInsight/Photoshop

Schaut man genau hin, dann wird schon in der 10-Minuten-Aufnahme die „Field-Rotation“, also die Randdrehung am Rand des Stacks, langsam erkennbar. Diese lässt sich aufgrund der Alt/Az-Nachführung des Teleskops aber nicht vermeiden. Das Ausmaß der Field-Rotation ist abhängig von der Aufnahmedauer und der Position des Objekts am Nachthimmel.

Field-Rotation in der rechten, oberen Ecke des Stacks

Neben dem Orionnebel konnte ich zwei Tage später, am 27.02., das Seestar auf den Kometen 12P/Pons-Brooks richten und 5 Minuten Licht aufnehmen. Auch mit diesem Ergebnis bin ich zufrieden.

12P/Pons-Brooks – 5 min. am 27.02.2024

Mehr Aufnahmezeit hätte dem Objekt – insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Rauschens – gut getan. Mir ging es jedoch um einen Test, wie gut das Seestar solche Objekte aus der Datenbank anfährt und findet … und mit diesem Ergebnis bin ich vollends zufrieden.

Erstes Fazit

Als alleiniges Teleskop für die Astrofotografie wäre mir das Seestar S50 wohl zu leistungsschwach. Der Sensor mit 1920 x 1080 Pixeln und seinem 16:9-Format sowie seiner fixen Ausrichtung allein erscheinen schon zu unflexibel. Zwo hätte sich einen riesigen Gefallen getan, wenn der Sensor des Seestar S50 rotierbar gewesen wäre.

Qualitativ liegt das Seestar S50 deutlich abgeschlagen hinter meinem sonstigen Setup mit HEQ5, 150/750-Newton oder C8HD und dedizierter, gekühlter Astro-Kamera.

Pelikan-Nebel in HOO mit dediziertem Astrofotografie-Equipment

Die Frage ist jedoch: Ist es schlimm, dass das Seestar S50 gegenüber meinem Astrofotografie-Equipment so abfällt? Nein! Das Seestar ist deutlich flexibler und schneller einsatzbereit. Es ist ein „Spaß-Teleskop“, das sich innerhalb von Minuten aufbauen lässt und dann schnelle und brauchbare Ergebnisse liefert.

Das Seestar S50 wird wohl nie die „High-Quality“-Bilder von dicken Astrophoto-Setups erreichen. Aber dazu ist es auch nicht gemacht. Es ist eher eine tolle Bereicherung. Ein kleines, mobiles und flexibles Setup. Geeignet für Mond, Sonne, helle Deep-Sky-Objekte und Sachen wie Kometen, Supernovae etc.

ZWO hat in meinen Augen etwas ganz Solides abgeliefert mit dem Seestar S50. Zwar würde ich mir für den Nachfolger einen Rotationsmotor wünschen, der zum Ausrichten des Kamerasensors sowie eine Kompensation der Bildfeldrotation zulässt. Aber ansonsten ist das Seestar eine runde Sache. Macht Spaß, und die Ergebnisse entsprechen der Erwartung. Ich freue mich auf weitere Einsätze dieses kleinen Teils und bin zuversichtlich, dass das Seestar meine Astrofoto-Galerie bereichern wird.

Von Jens

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